Fahrrad fahren mit Kindern. Was gibt es zu beachten, Martin Blum?
Sitz, Helm, Altersgrenzen: Es gibt einiges zu beachten, wenn man mit dem Nachwuchs im Stadtverkehr unterwegs ist. Wiens Radverkehrs-Beauftragter Martin Blum gibt Auskunft.
Frage: Ab wann kann man Kinder auf dem Fahrrad mitnehmen?
Martin Blum: Rechtlich ist kein Alterslimit vorgeschrieben. Für Lastenfahrräder gibt es mittlerweile Halterungen, um Babyschalen zu befestigen. Meistens werden Kinder allerdings im Fahrrad-Kindersitz mitgenommen. Das ist gut möglich, sobald die Kleinen sitzen können. Wichtig ist, auf den Helm nicht zu vergessen. Denn dieser ist, sobald die körperliche Eignung dafür gegeben ist, vorgeschrieben. Die Helmpflicht gilt dann für alle Kinder bis zum zwölften Geburtstag. Im Kindersitz dürfen Kinder bis zum achten Lebensjahr mitgenommen werden.
Gibt es eine Altersgrenze, ab der Kinder selbstständig unterwegs sein dürfen?
Mit drei bis vier Jahren sind die motorischen Fähigkeiten bei Kindern ausreichend entwickelt, um selbstständig Rad zu fahren. Das dürfen sie auf dem Gehsteig oder in Parkanlagen tun, solange der Felgendurchmesser nicht größer als zwölf Zoll, das sind 30 Zentimeter, ist. Danach können Kinder in Begleitung eines Erwachsenen überall dort unterwegs sein, wo Radfahren erlaubt ist. Am besten beginnt man damit in verkehrsberuhigten Bereichen oder auf Radwegen. Alleine unterwegs sein können sie ab zwölf Jahren, es sei denn, sie haben eine Fahrradprüfung abgelegt. Dann können sie ab zehn Jahren alleine fahren.
Was bringt die Radfahrprüfung?
Das ist eine freiwillige Prüfung und besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Wenn beide Prüfungsteile positiv sind, wird dem Kind nach Erreichung des zehnten Geburtstages der Fahrradausweis überreicht. Die Ablegung der Prüfung ist jeweils in jenem Halbjahr möglich, in dem der zehnte Geburtstag liegt. Prüfungen finden im Verkehrsgarten der Polizei statt. Dort können Kinder auch üben. Eine Voranmeldung ist nicht notwendig. Hat das Kind die Prüfung bestanden, darf es ohne Begleitung unterwegs sein.
Stichwort Ausstattung: Worauf sollte man bei Kindersitz und Helm achten? Ist der Preis ein Qualitätskriterium?
Ein Fahrradhelm oder ein Kindersitz muss nicht viel kosten. Wichtig ist, dass sie die gängigen Prüfzertifikate haben und der Helm gut passt. Der Helm muss gut sitzen und darf weder zu weit hinten noch zu weit vorne aufliegen. Er schützt Stirnbereich, Schläfen, Schädeldecke und Hinterkopf. Die Riemen verlaufen vor und hinter den Ohren. Das heißt, die Ohren sind frei. Der Kinnriemen soll verstellbar und leicht zu öffnen und zu schließen sein. Wichtig ist, dass das Kind den Helm vor dem Kauf anprobiert. In Österreich wird empfohlen, Helme zu kaufen, die der Norm EN1078 entsprechen. Rechtlich vorgeschrieben beim Kindersitz sind Gurte und Fixierriemen für die Füße sowie eine Lehne, die das Abstützen des Kopfes erlaubt.
Im Stadtbild sieht man zunehmend Radanhänger. Welche Vorteile bringt das und welche rechtlichen Regelungen gelten dafür?
Radanhänger sind eine gute Alternative zum Kindersitz, zumal man darin auch zwei Kinder transportieren kann. Die Kinder müssen angegurtet sein. Außerdem sind Rückstrahler und bei Dunkelheit Rücklichter Pflicht. So sicher verwahrt, können die Kleinen, bei langen Fahrten, auch bequem ein Schläfchen halten. Ein weiterer Vorteil: Mit einem Radanhänger ist das Umfallen beinahe unmöglich. Falls das Rad dennoch kippt, bleibt der Anhänger stehen. Hat man kein Kind dabei, eignet sich der Anhänger auch wunderbar als Einkaufshilfe.
Gilt das auch für Lastenräder?
Lastenfahrräder eignen sich für den Transport mehrerer Kinder und sind überraschend leicht zu fahren. Meist können dann auch noch Wocheneinkäufe verstaut werden. Mit Elektro-Lastenrädern lassen sich auch mit Beladung Anstiege sehr gut bewältigen. Kinder müssen im Lastenrad am Sitz angegurtet sein und einen Helm tragen. Praktisch bei Regen und kaltem Wetter sind auch die als Zubehör erhältlichen Verdecke.
Wenn das Kind bereit für ein eigenes Fahrrad ist, worauf sollten Eltern beim Kauf achten?
Auf die richtige Größe. Die Sattelhöhe ist am besten so eingestellt, dass das Kind mit beiden Fußspitzen gleichzeitig den Boden erreichen kann. Der Lenker sollte etwas höher als der Sattel sein, um eine möglichst aufrechte Sitzposition zu erreichen. Stützräder waren früher üblich, Kinder lernen aber ohne Stützräder meist schneller Rad fahren.
Wie sollte das Kind auf den Straßenverkehr vorbereitet werden?
Für die ersten Radelversuche braucht es nur eine ebene Strecke oder Fläche, in einem Park zum Beispiel. Dann kann es schon losgehen. Für die Eltern heißt es vor allem: gelassen bleiben. Sind Kinder bereit, kann sie sowieso kaum etwas aufhalten. Mein Rat: Haben Sie Vertrauen und ermutigen Sie Ihr Kind. Eine Hilfestellung beim Anfahren und anfangs nebenherlaufen geben Sicherheit. Genauso wie beim Erlernen des Gehens werden Kinder zu Beginn mit dem Fahrrad stürzen oder umfallen. Nur sehr selten passiert dabei mehr als Abschürfungen. Das sind aber wichtige Erfahrungen, je früher Kinder diese machen, desto eher werden sie sicher Rad fahren.
Was kommt nach dem Trockentraining?
Erst wenn Kinder sicher Rad fahren, sollten sie in verkehrsberuhigten Straßen oder auf dem Radweg radeln. Besonders wichtig ist, das Stehenbleiben zu üben. Haben die Kleinen das im Griff, lässt man sie am besten vor einem herfahren. So hat man sie im Auge und kann sie vor anderen Radfahrerinnen und Radfahrern, die schneller unterwegs sind, schützen. Sind zwei Erwachsene dabei, ist es günstig, das Kind in die Mitte zu nehmen.
Gibt es Zahlen, wie oft Kinder mit dem Fahrrad in Wien unterwegs sind?
Über die Hälfte der Kinder und Jugendlichen bis 14 Jahre nutzt mindestens ein Mal pro Monat das Fahrrad. Elf Prozent nutzen das Fahrrad an vier bis sieben Tagen pro Woche, 28 Prozent nutzen das Fahrrad an ein bis drei Tagen pro Woche.