Radfahrende am Steinitzsteg

Michael rettet alte Fahrräder vorm Schrottplatz

Für Michael ist es wichtig, dass er im Sinne der Nachhaltigkeit seinen Lebensstil zum Positiveren wendet. Dazu zählt auch, dass der Betriebswirt seinen Arbeitsweg CO2-neutral mit dem Fahrrad zurücklegt. Außerdem hat der 29-Jährige schon mehrere Fahrräder vor der Verschrottung gerettet.

Du hast im Vorgespräch erzählt, dass du deinen Arbeitsweg vom 9. in den 21. Bezirk mit dem Fahrrad fährst? Wie sieht den Arbeitsweg genau aus?

Ich habe den Arbeitsweg über die Nordbrücke gewählt, weil es über den Donaukanal und die Nordbrücke und anschließend durch den 21. Bezirk am einfachsten und schnellsten ist: ohne viel Stehenbleiben und ohne viele Ampeln und Hindernisse. Es ist ein relativ idealer Fahrradweg, den man gerne fährt, d.h. ohne große Anstrengung, aber doch 11 km lang. Deshalb habe ich mir letztes Jahr ein Elektrofahrrad zugelegt, weil das wirklich angenehmer ist, wenn man nicht ganz verschwitzt in der Firma ankommt. Aber ich fahre auch mit dem normalen Fahrrad – speziell im Sommer, wenn die Temperaturen angenehmer sind und man die Fahrt auch mehr genießen kann und nicht schaut, dass man schnell wieder wo hineinkommt.

Welche Stellen sind besonders schön auf deinem Arbeitsweg?

Die Stellen, die mir am meisten gefallen, sind die, wo der Radweg am besten ausgebaut ist, wo ich am meisten Freiheit habe und wirklich den Weg gut nutzen kann. Der Donaukanal gefällt mir da sehr gut, da geht es schwupp­di­wupp ohne großartigen Hindernissen entlang bis zum Knoten bei der Nordbrücke. Bis dahin muss ich nirgendwo stehenbleiben. Ich bleibe aber oft mitten auf der Brücke stehen und schau kurz auf die Donau, wenn es nicht ganz windig ist. Das ist, glaube ich, der schönste Teil vom Arbeitsweg. Mir geht’s also darum, dass ich relativ unbekümmert unterwegs sein kann.

Michael mit seinem e-Bike und seinem ersten Fahrrad (© Michael Wotke)

Michael mit seinem e-Bike und seinem ersten Fahrrad (© Michael Wotke)

Im persönlichen Bermuda-Dreieck und darüber hinaus

Wie bist du auf die Idee gekommen, mit dem Fahrrad in die Arbeit zu fahren?

Die ursprüngliche Idee kam vor zweieinhalb Jahren und zwar von meiner Familie, die in Klosterneuburg wohnt. Damals wurde angekündigt, dass die Heiligenstädter Hangbrücke – diese riesige Autobrücke – komplett renoviert wird und hier immer nur eine Autospur frei ist. Nachdem große Staus zu erwarten waren, hat mein Vater die Initiative ergriffen und gesagt: „Wie wär es, mit dem Fahrrad in die Arbeit nach Wien zu fahren?“ Dann wollte die ganze Familie ausprobieren, in unsere Firma in den 21. Bezirk zu radeln. Und es ging voll easy und super. Als dann die Baustelle tatsächlich begonnen hat, hat meine Familie gemeint, dass sie öfter mit dem Fahrrad fahren, weil sie sich den Stau ersparen. Mein Bruder fährt seither sehr oft mit dem Fahrrad, mein Vater auch ab und zu.

Seitdem bin ich wirklich auch in Wien viel mit dem Fahrrad unterwegs: Also von zuhause im 9. Bezirk zu meiner Familie in Klosterneuburg, von Klosterneuburg in die Firma nach Floridsdorf und von der Firma retour in den 9. Bezirk. Das geht sich auch mit dem Akku vom Elektrofahrrad ohne Probleme aus.

Ist das das einzige Eck in Wien, wo du dich mit dem Fahrrad bewegst?

Dort ist definitiv mein kleines Bermuda-Dreieck, wo ich hin- und herfahre. Ich bin aber auch oft Richtung 1., 2. und 22. Bezirk unterwegs: Im Sommer bin ich z.B. sehr oft bei der Alten und der Neuen Donau. Der neue Radweg, der dort von der Kagraner Brücke bis zur Neuen Donau entstanden ist, ist echt mega. Eigentlich bin ich in Wien eh überall dort unterwegs, wo es interessant ist und wo man problemlos mit dem Fahrrad unterwegs sein kann.

Vorfreude aufs Radfahren

Bei E-Bikes sagt man ja oft, dass es vor allem etwas für ältere Menschen sei. Ist es auch ein Vorurteil, das dir gegenüber geäußert wird?

Das ist eher noch das Vorurteil, das ich selber habe. Mir hat das noch niemand gesagt. Es war eher andersrum, dass wahnsinnig viele Leute gefragt haben, ob sie sich auch kurz draufsetzen können, weil sie selbst noch nie E-Bike gefahren sind. Und ich muss auch sagen: Wenn ich nicht diese langen Strecken mit dem E-Bike machen würde, hätte ich vermutlich nicht den Animo, dass ich jedes Mal mit dem normalen Fahrrad fahre. Ich glaube, ich würde mehr komplett darauf verzichten. Und das wäre natürlich auch blöd und schade. Deswegen ist es mir lieber mit dem E-Bike, vor allem auch diese doch eher längeren Strecken. Und wenn man in der Arbeit ankommt, ist man eher entspannt und nicht schon komplett geschlaucht.

Du hast gerade davon gesprochen, dass es ohne Radfahren schade wäre. Was würde dir denn fehlen?

Es gibt einen treffenden Satz, den mein Bruder zu mir gesagt hat, als wir klein waren und in die Schule gegangen sind: „In der letzten Schulstunde, Michi, auf irgendwas freue ich mich dann immer schon.“ Und dann habe ich gecheckt, dass es bei mir auch so ist und ich mich darauf freue, dass ich mit dem Fahrrad nach Hause fahre. An diesen Satz muss ich auch heute noch so oft denken. Es ist immer diese Vorfreude da. Und auch jetzt, wenn ich von der Arbeit aus habe, denke ich mir: „Cool, jetzt kann ich noch eine schöne Runde Radfahren.“

Nachdem du schon viel von deiner Familie erzählt hast, würde ich gern wissen: Wie war es Radfahren zu lernen und wann hattest du dein erstes Rad?

Meine Mama hat beim Radfahren lernen mit mir halb die Nerven verloren, weil ich ein sehr ungeduldiges Kind war und es ohne Stützräder nicht zusammengebracht habe, bis meine Tante übernommen hat. Als ich gesehen habe, dass mein gleichaltriger Cousin Philipp ohne Stützräder die Gasse entlang gefahren ist, war das für mich der größte Animo, dass ich das auch schnell schaffe. Und das hat dann auch geklappt.

Mein erstes Fahrrad habe ich heute noch. Ich habe es im Keller wiedergefunden. Es ist ein kleines rotes Fahrrad. Und das richte ich jetzt her und schenke es meinem kleinen Großneffen zum Geburtstag. Es ist mittlerweile schon 25 Jahre alt. Und wenn es so lang gehalten hat, wird es sich jetzt auch noch ein paar Jahre halten.

Vor der Verschrottung gerettet

Zurück in die Jetztzeit. Wenn ich aus deinen Erzählungen richtig geschlossen habe, hast du zwei Räder.

Ich habe noch mehr Fahrräder, ziemlich viele Fahrräder sogar. Das kam so: Die Hausverwaltung bei mir zuhause, wollte die herrenlosen Fahrräder bei uns im Hof räumen lassen. Und da habe ich ihnen geschrieben, dass ich die Fahrräder, die mit Staub und Dreck überzogen waren, gerne haben wollen würde, bevor sie sie verschrotten.

Und nach einiger Zeit haben sie sich gemeldet, dass ich die Räder, die niemand wollte, haben kann. Zuerst habe ich sie noch ein Jahr bei mir im Kellerabteil gelagert, falls sich noch wer meldet. Mittlerweile habe ich sie zu mir in die Firma gebracht und werde sie jetzt schön langsam renovieren, weil es eigentlich wirklich schade drum ist. Es sind insgesamt noch fünf Fahrräder, zwei davon sind auch fahrbereit, mit denen war ich schon unterwegs. Bei uns in der Maschinenbaufirma ist ein ein relativ leichtes, die Fahrräder wieder in Gang zu bringen. Ich könnte sogar kleine Teile nachmachen und Schrauben gibt’s natürlich auch genug.

Michael mit den geretteten Rädern, die er nach und nach herrichten will (© Michael Wotke)

Damals habe ich nicht nur diese fünf Fahrräder bekommen, sondern noch drei weitere. Die habe ich bereits wieder an Freunde verschenkt, die gesagt haben, dass sie ein Fahrrad brauchen, weil ihres geklaut wurde oder sie neu in Wien sind. Bei den dreien musste man nur einen neuen Schlauch drauf geben. Und die Leute waren mega happy damit, vielleicht hätten sie sonst gar kein Fahrrad.

Wie bist du auf die Idee gekommen, diese Fahrräder zu retten?

Ich finde es immer wirklich eine Verschwendung, wenn etwas verschrottet wird. Ich finde das ziemlich unnötig, und man kann eigentlich alles renovieren. Man braucht nur etwas Zeit und Geschick dazu. Ich verstehe natürlich, wenn Leute technisch oder mechanisch nicht dazu in der Lage sind. Wenn sie es nicht selbst können und ein Service für sie zu teuer ist, kaufen viele dann gleich was Neues. Aber das ist kein wirtschaftliches und umweltfreundliches Arbeiten, wenn man dauernd neue Sachen kauft. Ich bin also ein großer Fan vom Reparieren. Mir ist lieber, dass die Räder durch mich ein Restleben und eine Restnutzungsdauer kriegen, auch wenn ich dafür Zeit investieren muss. Die Leute, denen ich die drei Fahrräder schon geschenkt habe, sind mega glücklich.