Ein Paradies für Rennrad-Fans. Im Gespräch: Jakob, Inhaber des Veloversum
Das Veloversum im 6. Bezirk ist ein Paradies für alle LiebhaberInnen von Vintage Rennrädern. Hier werden historische Rennräder mit viel Fachwissen und Liebe zum Detail restauriert und verkauft. Wir treffen Jakob, einen der zwei Inhaber, zum Interview. Der Medizintechniker entdeckte erst vor wenigen Jahren seine Leidenschaft für Rennräder.
Vor sechs Jahren hab ich mein erstes Rennrad gekauft. Damals hat mich ein Freund dazu gebracht, der viel Rennrad fährt und sein Rad auch selbst repariert. Er hatte das Werkzeug, das Grundgeschick und die Erfahrung. Von ihm habe ich eine Art Crashkurs bekommen. Dann haben wir gemeinsam das erste Rad gemacht: Alles zerlegt, geputzt – jede Kugel, jede Speiche – und dann wieder zusammengebaut. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Und dann habe ich noch ein Rad gekauft und noch eins…so fing das alles an. Sammeln liegt in der Natur des Menschen und ich glaube bei mir noch ein bisschen mehr. Und ich habe schon immer gern gebaut.
Nach fünf Jahren privaten Sammelns und über hundert restaurierten Rädern ergab sich 2019 nach dem Studium die Gelegenheit, das Geschäftslokal im 6. Bezirk zu übernehmen. Jakob und sein Kompagnon Samuel überlegten nicht lange und eröffneten mit ihrem schon beträchtlichen Grundstock das „Veloversum“. Hier befindet sich eine Werkstatt und ein Verkaufs- bzw. Ausstellungsraum. Der knappe Raum machte die beiden erfinderisch: Durch eine eigens entwickelte Liftkonstruktion finden noch zusätzlich 32 Räder in der Höhe Platz, die alle separat rauf- und runtergelassen werden können.
Was gefällt Dir besonders an der Reparatur von historischen Fahrrädern?
Ich möchte Dinge verbessern, aufwerten und mein eigenes Ding draus machen. Das geht bei Fahrrädern perfekt: Da gibt es so viele Komponenten und egal, wie ich ein Fahrrad kaufe, im Endeffekt gibt es immer etwas daran zu ändern. Im Optimalfall ist ein historisches Rennrad nie angerührt worden, dann geht es nur darum, dass man es zerlegt, putzt, fettet und dann wieder zusammenbaut. Aber meistens gibt es mehr zu tun. Auch wenn ich nur den Rahmen kaufe, versuche ich grundsätzlich, das Fahrrad so authentisch wie möglich aufzubereiten. Das Rennrad soll nicht nur technisch und optisch perfekt, sondern auch zeitlich korrekt sein. Welche Züge, welches Lenkerband, welche Reifen wurden zu welcher Zeit verwendet? Das ist schon eine richtige Wissenschaft. Ich habe mich da die letzten Jahre ziemlich reingefuchst mit Jahreszahlen und Historie. In vielen dieser Räder steckt sehr viel Arbeit. Bis jedes Rad so dasteht, wie es jetzt dasteht, vergehen Wochen und Monate. Bis Du wirklich jedes Teil gefunden hast und alles komplett ist, manchmal sogar Jahre. Im Prinzip kann man immer noch etwas verbessern.
Wie informierst Du dich da? Und wie findest Du die Ersatzteile?
Ich informiere mich hauptsächlich im Internet, da gibt es auch gut strukturierte Datenbanken. Aber natürlich schaue ich mir auch alte Kataloge und alte Bilder an. So kann ich sehen, wie das Rad damals ausgeschaut hat und kann Anbauteile möglichst authentisch besorgen. Mittlerweile habe ich schon ein gutes Grundgespür, welche Teile wann und wo verwendet wurden, weil ich mich so viel damit auseinandersetze. Auch die Räder und einzelnen Komponenten finde ich größtenteils im Internet. Die meisten Fahrräder sind ursprünglich aus Italien, gekauft habe ich aber viele in Österreich. Am ehesten findet man aber etwas, wenn man nicht danach sucht. In den letzten Jahren profitiere ich auch von Kontakten und Netzwerken. Oft finde ich durch Fragen in der Community schneller etwas, als darauf zu warten, bis es im Internet erscheint.
Welche Kundschaft habt Ihr?
Wir haben ein sehr durchmischtes Publikum. Es gibt viele junge Frauen und Männer, die Rennräder suchen. Das sind dann junge Leute, die gerne Fahrrad fahren und einfach ein besseres Rad haben wollen. Aber es kommen auch die klassischen Sammler, meistens ältere Herren. Viele kommen natürlich auch zum Schauen, weil wir hier eine der umfangreichsten Fahrradsammlungen in Wien haben und spezialisiert sind auf klassische Rennräder der 70er und 80er Jahre. Das sieht man nicht oft in der Menge, Dichte und Qualität.
Was macht die historischen Rennräder so besonders?
Meiner Meinung nach kann man die Qualität von alten Rädern aus den 70er/80er und 90er Jahren kaum mit heutigen Rennrädern vergleichen. Damals hat man noch viel mehr Zeit, Liebe zum Detail und Handwerkskunst in den Bau von alten Rädern investiert. Rahmen wurden mit sehr viel Erfahrung per Hand gelötet, Teile und Muffen graviert und anschließend mit Pinsel ausgemalt. Außerdem wurden die Komponenten für die Ewigkeit gebaut, beginnend bei hochwertigen Materialien bis hin zu Kugellagern, die man öffnen und reinigen konnte.
In welchem Preisrahmen bewegen sich die Räder? Und was ist das teuerste Modell im Laden?
Die Preisspanne bewegt sich zwischen 300 Euro für ein semitolles Einstiegsrennrad bis hin zu 7000 Euro für das teuerste Rad. Das teuerste Rad ist eine Jubiläumsgruppe von Campagnolo und ist, streng limitiert, zum fünfzigjährigen Jubiläum 1983 erschienen. Die Nummer 1 steht im Museum, die Nummer 2 hat damals Papst Johannes Paul II. bekommen. Also eine recht prestigeträchtige Gruppe. Der Rahmen ist mit seltenen Komponenten bestückt und das Fahrrad ist ungefahren – das bestimmt den Preis. So ein Fahrrad ist wie der heilige Gral. Oder das Colnago 1 von 100, komplett vergoldet und superleicht. Das hat damals auch der Papst bekommen.
Würdest Du dieses Rad denn jemals verkaufen?
Ja. Es gibt nichts, was ich nicht verkaufen würde. Eine Sammlung lebt davon, sich von Dingen zu trennen, um wieder neue Objekte zu kaufen. Wenn ich mich nie von etwas getrennt hätte, wäre ich jetzt nicht da, wo ich heute bin. Wenn man so viel Zeit und so viel Leidenschaft in ein Rad gesteckt hat – von der Recherche weg, bis hin über die Suche und das penible Putzen – fällt es natürlich nicht immer leicht. Aber sobald dann die Kundschaft glücklich ist, bin ich es auch. Ich finde es schön, wenn es in gute Hände kommt.
Fährst Du auch privat viel mit dem Fahrrad?
Ich fahre fast immer mit dem Rad, einfach weil man überall schneller am Ziel ist. Gerade auch, wenn man Fahrrad und U-Bahn kombiniert. Wenn man Wien mit Städten wie Kopenhagen oder Amsterdam vergleicht, merkt man: Die haben schon viel früher erkannt, wie viel besser die Mobilität ist, wenn man aufs Auto verzichtet und einfach mit dem Fahrrad fährt. Wien hat etwas zu spät begonnen, wird aber auch langsam zur Fahrrad-Stadt. Es erkennen auch immer mehr Leute, dass es mit dem Auto einfach mühsam ist. Die Kosten, Parkplätze, stundenlanger Stau. Es ist einfach keine Dauerlösung, wenn es immer mehr Leute und immer mehr Autos werden. Wenn man sich vorstellt, dass so viel blockierte Verkehrsfläche öffentlicher Raum sein könnte – was da für Potenzial drin stecken würde oder wie schön das wäre. Das soll nicht heißen, dass Wien komplett autofrei sein soll. Aber mehr Fußgängerzonen, das ist schon der richtige Weg. Ich bin niemand, der sagt „Verzichte aufs Auto“, aber gerade wenn man in der Stadt wohnt und nicht aus der Stadt raus fahren muss, hat das Fahrrad einfach mehr Vorteile.
Das Veloversum befindet sich in der Stumpergasse 40, 1060 Wien.
Mehr dazu auf der Homepage: https://www.veloversum.com/