Zwischen Bühne und Fahrradwerkstatt – Elizabeth Ward
Am 11. Juli startet das ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival 2024. Bis 11. August zeigt das Festival mit 51 Produktionen in den Wiener Theatern und Museen einen umfassenden Querschnitt davon, was zeitgenössischer Tanz und Performance waren, sind und wohin sie sich entwickeln. Die in Wien-lebende amerikanische Tänzerin und Choreografin Elizabeth Ward, die auch heuer wieder als Künstlerin beim Festival teilnimmt, war während ihrer Tanzkarriere auch als Fahrrad-Mechanikerin tätig. Wir haben sie zum Interview getroffen und darüber geredet, wie man aus der Motor-City-Detroit-kommend zur leidenschaftlichen Radfahrerin wird. Hier kannst du dir einen 10%-Rabatt für ausgewählte Vorstellungen sichern.
Du bist 1977 in Detroit geboren. Man nennt die Stadt auch „Motor-City“, wie war das Aufwachsen dort und war das Fahrrad in einer so stark Auto-geprägten Stadt überhaupt ein Thema?
Viele aus meiner Familie haben in Autofabriken gearbeitet. Das war ganz typisch. Mein Vater hat mir erzählt, dass er in den 60ern in Detroit viel mit dem Rad unterwegs war – ich war das nicht. Als Kind haben wir auch in einem Vorort von Atlanta gewohnt, da gab es eigentlich keine Möglichkeit sicher Rad zu fahren. Ich hatte zwar ein Fahrrad, aber konnte ausschließlich in unserer Straße damit fahren, dort waren weniger Autos unterwegs. Damals habe ich mir gedacht, dass es wirklich traurig ist, dass Autos so viel Platz einnehmen.
Du hattest also von klein auf ein Fahrrad. Wie entwickelte sich dann aber deine Leidenschaft dafür?
Als ich in der Universität Tanz studiert habe, hat meine Tanzlehrerin gemeint, dass wir als Tänzer*innen auch einen anderen Job haben sollten. Ich habe dann von einer tollen Initiative in Tuscon, Arizona erfahren. Dort gab es ein Fahrradgeschäft inkl. Werkstatt, die ein Programm führten, bei dem man innerhalb von sechs Wochen alles über das Fahrrad und die Mechanik lernte. Nach dem Kurs war ich total begeistert und hatte dort kleine Aufträge.
Später war ich dann in Portland und habe bei „Citybikes Workers Cooperative Repair Shop“ begonnen. Wir waren 20 Leute und hatten viel zu tun – es war ein gutes Leben! Auch die Arbeit bei „Recycle-A-Bicycle“ in New York City war richtig schön. Bei diesem Programm haben Kinder und junge Erwachsene ein eigenes Fahrrad erhalten und es mit unserer Unterstützung repariert – so waren sie danach stolze Besitzer*innen. In Bronx und Queens habe ich das Programm mit Kindern aus Mittelschulen geführt und in Portland mit Teenagern eines Obdachlosenheims. Nach dieser Tätigkeit war ich dann Mechanikerin in einer Fahrradwerkstatt.
War es üblich, dass weiblich-gelesene Personen diese Tätigkeit ausübten?
Das war tatsächlich interessant! In Portland war es ganz normal, dass Frauen als Mechanikerinnen arbeiteten. Aber ältere Männer hatten schon oft Probleme mit uns. Die sind in die Werkstatt gekommen und haben nach den Mechanikern gefragt. Wir Frauen entgegneten, dass wir die „Mechaniker“ seien. Das waren schon auch ungute Situationen.
Das glaube ich! Wie ging es währenddessen deiner Tanzkarriere?
Ich habe die Arbeit als Mechanikerin geliebt, hatte aber zeitweise Probleme mit meinen Gelenken und empfand es als anstrengend, dass gefühlt alles immer schmutzig war. Zudem hatte ich mittlerweile mehr Aufträge als Tänzerin in Europa. Da war ich dann schon auch froh, dass dieser Lebensabschnitt langsam ein Ende nahm. So gern ich mit Fahrrädern und den verschiedenen Leuten gearbeitet habe, anfangs war es ja doch „nur“ als Nebenjob gedacht. Dafür war es auch super.
Du hast ja auch in Europa in verschiedenen Städten gewohnt, lag der Fokus dort dann beim Tanzen?
Ja, genau. In Brüssel und Athen bin ich nicht Rad gefahren. In Wien genieße ich es, wenn ich gemütlich fahren kann – ganz ohne Stress.
Und welche Rolle spielt das Fahrrad heute für dich?
Ich will mich sicher fühlen. Das schnelle, stressige Fahren passt da nicht mehr zu mir. Es macht mir aber noch immer sehr viel Freude. Wenn ich mit dem Fahrrad fahre, dann habe ich einfach ein gutes Gefühl. Ich liebe es, dass man beim Radfahren diese Aufmerksamkeit und den Fokus braucht. Es ist einfach toll, sich so durch die Welt zu bewegen.
Punkto Bewegung: Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede haben das Tanzen und das Radfahren für dich?
Das ist eine interessante Frage. Nach der Tanzschule hat das Radfahren meine wöchentlichen Tanzstunden ersetzt. Es war eine andere Bewegung, aber das hat gut gepasst. Allerdings habe ich irgendwann gemerkt, dass meine Oberschenkelmuskulatur sehr kräftig wurde und andere Muskelgruppen weniger beansprucht wurden. Das hat sich dann leider etwas unbalanciert angefühlt. Daher war es ab einem gewissen Punkt für meinen „Tanzkörper“ gut, weniger Rad zu fahren.
Ich habe es genossen, neben der Tanz-Bubble auch meine Rad-Bubble zu haben. Während die Tanzcommunity französische Philosophie las und dachte, dass die Welt aus Tanzen und Kunst bestand, herrschte in der Radcommunity Solidarität. Es wurde Bier getrunken und die Gemeinschaft stand an oberster Stelle. Da war das Publikum auch viel diverser. Beide Welten zu erleben, war sehr speziell.
Das Wiener Tanz- und Performancefestival ImPulsTanz findet dieses Jahr von 11. Juli bis 11. August statt. Neben Performances gibt es auch ein umfangreiches Workshop-Programm. Die Mobilitätsagentur Wien ist Kooperationspartner und Sponsor des Festivals.