Mit Martin auf Denkmalinspektionsrunde
Als Steinrestaurator hat Martin vielfältige Aufgaben, eine davon ist eine Denkmalinspektionsrunde. Diese absolviert er einmal monatlich mit dem Transportfahrrad. Wir durften ihn auf seiner Runde durch den 1. Bezirk begleiten.
„Du kommst eh mit dem Fahrrad?“ versichert sich Martin am Telefon, als wir den Termin für die gemeinsame Tour fixieren. Als ich am 9. Mai mittags bei Martins Betrieb im zweiten Bezirk ankomme, steht das Transportfahrrad schon bereit. Gemeinsam werden wir die nächsten eineinhalb Stunden im ersten Bezirk mit dem Fahrrad unterwegs sein. Den genauen Auftrag beschreibt Martin:
Ich bin für die MA 7 der Stadt Wien auf einer Denkmalinspektionsrunde. Insgesamt besuche ich 16 Denkmäler einmal pro Monat und kontrolliere, ob eine Beschädigung oder Beschmierung vorhanden ist. Und ich mache die Denkmäler im Prinzip besenrein. Sollte irgendeine Beschädigung vorliegen, dokumentiere ich diese, damit ein entsprechender Auftrag zur Behebung erteilt werden kann.
Auf Martins Runde liegen mehrere Denkmäler, die an die Shoah und den Nationalsozialismus erinnern, aber auch welche die sehr prominent sind. Unser erster Stopp ist das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus am Morzinplatz. Die heutige Tour führt uns zu vier weiteren Denkmälern: Gedenkstein für die Opfer des Terroranschlags, Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah am Judenplatz, Pestsäule am Graben sowie Mahnmal gegen Krieg und Faschismus bei der Albertina. Dabei sind Martins Handgriffe sind bei jedem Denkmal ähnlich: Als erstes dokumentiert er den aktuellen Stand mit Fotos, danach kontrolliert er, sammelt Müll oder Tschickstummel ein und zupft Unkraut und kehrt rund ums Denkmal. Bevor er weiterfährt, macht er nochmals Fotos.
Schneller, ökologischer, praktischer
Als wir die Runde beginnen, sind in seinem Transportfahrrad leere Müllsäcke, eine Küchenrolle, ein paar Flaschen Putzmittel, ein Besen, eine Mistschaufel und ein Kübel. Im Laufe der Tour wird sich die Transportbox seines Fahrrads mit alten Kränzen füllen. „Wenn man so durch die Stadt fährt, wird man auch manchmal beschmunzelt“, weiß Martin. Dass er diese Tour mit dem Fahrrad macht, liegt für ihn auf der Hand:
Das Lastenfahrrad bietet sich für die Objekte im ersten Bezirk ideal an, weil ich nicht so viel mitnehmen muss. Mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren, macht mehr Probleme als es eigentlich bringt. Und deswegen bin ich mit dem Fahrrad viel schneller. Und es ist auch ökologischer. Denn das was ich brauche, hat hier in der Box leicht Platz. Außerdem kann ich viel direkter vor den Denkmälern parken. Und ich bin dann eigentlich auch flott wieder weg.
Auch sonst legt Martin seine beruflichen Wege in Wien häufig mit dem Fahrrad zurück – vorausgesetzt natürlich, dass er keine großen Gerätschaften transportieren muss. Und auch privat ist das Fahrrad für Martin „mein liebstes Verkehrsmittel.“ Als ich ihn frage, warum, lacht er zuerst, um dann zu antworten:
Mit der eigenen Körperkraft etwas anzutreiben und voran zu kommen, ist einfach das Beste, finde ich.
„Eigentlich werde ich nicht angesprochen“
Normalerweise macht Martin seine Runden ganz in der Früh, wenn wenig Leute unterwegs sind und in den Fußgängerzonen im 1. Bezirk noch die Zufahrt gestattet ist. Bei diesen regulären Touren muss er das Fahrrad seltener schieben, als bei unserer Tour am Nachmittag. Daher wird er auch selten angesprochen, aber er erzählt:
Man kommt eher in Kontakt mit Leuten, die sonst auch in der Umgebung sind. Zum Beispiel mit den Soldaten, die die Seitenstettengasse bewachen oder auch mit Securities. Am ehestens passiert das bei den jüdischen Gedenkstätten, wenn sich Leute erkundigen, die extra im Zuge einer Stadtführung herkommen. Und sie reagieren in der Regel sehr positiv der Stadt und seiner Tätigkeit gegenüber.
Auch am Judenplatz, wo bei unserer gemeinsamen Tour für eine Veranstaltung aufgebaut ist, wird Martin nicht angesprochen. Während einige Passant:innen zuschauen zu, wie er die kleinen Steinchen gruppiert, um dann zu kehren, sucht ein kleiner Junge das Gespräch mit ihm. Leider sprechen die beiden nicht dieselbe Sprache, so bleibt’s bei einem beiderseitigen Lächeln. Nach eineinhalb Stunden, fünf Denkmälern und einem fehlgeschlagenen Gesprächsversuch endet unsere Tour wieder dort, wo sie begonnen hat. Bei Martins Werkstatt im zweiten Bezirk.