Fancy Women Bike Ride: „Wir wollen Blumen in der Stadt und sichere Radwege.“
Fancy Women Bike Ride ist eine Bewegung, bei der einmal im Jahr weltweit Fahrrad-Demos von Frauen organisiert werden. Letztes Jahr fand er erstmals auch in Wien statt. Wir haben mit Marion und Margit, zwei Frauen aus dem Organisationsteam getroffen und mit ihnen über die Hintergründe von Fancy Women Bike Ride gesprochen.
Wie seid ihr zum Radfahren gekommen?
Marion: Ich bin in Sankt Pölten aufgewachsen und als Kind immer mit dem Fahrrad gefahren. Als Erwachsene war ich zehn Jahre nicht in Österreich, und bin coronabedingt wieder zurück nach Wien gekommen. Und weil man nicht viel machen konnte, wollte ich zum Wiederentdecken der Stadt mit dem Fahrrad eine gemütliche Ringrunde fahren. Aber für mich, die in den zehn Jahren davor viel an ländlichen Orten gelebt hat, war das ziemlich unangenehm. Es war nicht so, dass ich einfach radeln und gemütlich schauen kann. Dennoch fahre ich seither alles mit dem Rad, also das Fahrrad ist mein Verkehrsmittel. Auch meinen alten Hund nehme ich auf einem Fahrradanhänger mit.
Margit: Also ich fahre wahnsinnig gerne Rad. Ich bin aber erst spät eingestiegen. Ich hatte eine Frozen Shoulder [Anmerkung: Bei einer „Frozen Shoulder“ wird die Schulter steif. Das Schultergelenk „friert“ sozusagen ein.], und damals hatte mein Mann die Idee, dass ich mit dem Fahrrad statt dem Auto zur Therapie fahren soll. Der Weg mit dem Rad ist so easy gewesen, dass ich mir gedacht habe, dass ich das öfter machen kann. Und seitdem hat mich das Radfieber gepackt. Da hab ich auch schnell gemerkt, das liegt alles so nah zusammen, das ist ja ein Klacks alles mit dem Fahrrad zu fahren. Und dann sind auch noch die Kilos gepurzelt und ich habe abgenommen, da hab mich natürlich gefreut wie eine Schneekönigin.
Internationale Organisation in 200 Ländern
Ihr habt jetzt schon erzählt, wie ihr zum Radfahren gekommen seid. Wie seid ihr zu Vienna Fancy Women Bike Ride gekommen?
Marion: Mir haben andere Radfahrerinnen bei Ampelgesprächen oft erzählt, dass ihre Freundinnen das Radfahren alle aufgegeben haben, weil sie sich nicht sicher fühlen, weil es ihnen zu anstrengend und nervenaufreibend ist. Und das hab ich total unterschreiben können, weil’s mir genauso gegangen ist. Man kann nicht von jedem und jeder erwarten, jeden verwinkelten Radweg, jede Überfahrung, jede Radinfrastruktur zu kennen. Daher hatte ich schon länger den Traum oder die Idee, dass wir eine Frauenfahrradrunde in Wien machen. Und dann hat die liebe Margit ein Posting auf Facebook verfasst und dazu aufgerufen in Wien einen Fancy Women Bike Ride zu organisieren. Und ich hab mir gedacht: Cool, sowas gibt’s ja schon, sogar als weltweite Organisation von Frauen, die eine andere Stadtgestaltung und sichere Infrastruktur zum Radfahren fordern. Also das war ein Glücksfall, dass ich das Posting gesehen habe, und dann hab ich mich auch gemeinsam mit ein paar anderen gemeldet, aber die Initiative ging von der Margit aus.
Margit: Ja, irgendwer muss anfangen. Vom Fancy Women Bike Ride habe ich, glaub ich, über die Radlobby erfahren. Und eigentlich wollte ich das nie, weil mein Ziel war, dass man die Senioren aktiviert, zu denen ich gehöre. Aber da hat sich eigentlich auf Facebook nichts getan. Und als ich dann erfahren habe, dass eh auch schon zwei andere Frauen, die die Idee eines Wiener Fancy Women Bike Rides im Kopf hatten, hab ich mich dafür entschieden und so die Lawine ins Rollen gebracht.
Marion: Wichtig ist dazu zu sagen, dass es eine komplett unabhängige Organisation ist und nicht eine Veranstaltung der Radlobby oder einer anderen Gruppe.
Solidarische Arbeit gegen patriarchale Strukturen
Der Fancy Women Bike Ride war letztes Jahr das erste Mal in Wien. Wie ging’s euch beim Organisieren? Und wie ist die Veranstaltung selbst gelaufen?
Margit: Organisieren war super, das hat wunderbar geklappt. Es hat nur eine Sache nicht geklappt. Der Tag steht international fest – d.h. in allen Städten weltweit wird am selben Tag im September geradelt. Und an dem Tag hat’s geregnet, weshalb nur wenige Leute gekommen sind. Was in der Organisation in Wien toll war: Der Fancy Women Bike Ride ist in der Türkei entstanden. Und wir haben in Wien auch eine Türkin im neunköpfigen Organisationsteam. Das hat mich sehr gefreut. Generell war es ein schönes Miteinander, bei dem sich die Frauen solidarisiert haben. Bei Frauen ist Solidarität eher schwer zu finden, habe ich das Gefühl.
Marion: Ja, ich auch. Aber ich finde, es ist auch an der Zeit, dass wir das auch ändern, also dass wir uns auch von diesen patriarchalen Strukturen lösen und mutig neue Wege gehen. Und wenn die Organisation von dieser Veranstaltung schon ein erster Schritt ist, dann sind wir den auch schon gegangen. Also wenn dieser Schritt, anderen Frauen Mut machen könnte, dass sie sich zusammentun und miteinander etwas veranstalten – und auch wenn man sich nicht kennt, es gibt so viele Gemeinsamkeiten, die einen fruchtbaren Boden für Ideen und Visionen schaffen können. Und das finde ich das Inspirierende. Und auch der Gedanke, dass es eine weltweite Community in über 200 Ländern gibt. Schön wäre, wenn wir unser Frausein auch so leben, dass es solidarisch ist, dass wir miteinander leben, und nicht dass wir uns ständig selbst das Hackl ins Kreuz hauen.
Margit: Ich habe einen ganz anderen Ansatz gehabt. Denn ich sehe immer noch, dass der Männeranteil beim Radfahren wesentlich höher ist. Aber ich habe so eine Freude beim Radfahren empfunden und ich hab mir gedacht, dass das jede Frau erleben kann.
Sichere Radinfrastruktur für Frauen und für alle
Marion: Um Freude zu empfinden, darf beim Radfahren keine Angst da sein. Ich habe mich beim Herradeln gefragt, wie Autofahrer die 15 Minuten Fahrt verbringen würden, wenn die KFZ-Infrastruktur so aussehe, wie die Radinfrastruktur.
Margit: Zum Beispiel gab’s gerade eine Umleitung für Radfahrende beim Wienflussradweg, da war die Beschilderung perfekt. Aber man fährt auf unbefestigten Wegen. Welcher Autofahrer muss auf unbefestigten Wegen fahren? Ich kenne in Wien nur eine Straße, wo kein Asphalt ist, und das ist eine Privatstraße. Wenn man solche Wege den Autofahrern zur Verfügung stellt, hätten wir in kürzester Zeit weniger motorisierten Individualverkehr. Ich würde daher folgenden Slogan forcieren: „Raus aus dem Asphalt“ für weniger Autoverkehr.
Marion: Apropos Slogan, es gab von der internationalen Organisation des Fancy Women Bike Ride eine Forderung, als 2013 die erste Ausfahrt in der Türkei mit 300 Frauen stattgefunden hat. Und die Forderung war: “Let the cities smell of perfume instead of the smell of exhaust.” („Lasst die Städte nach Parfum riechen statt nach Abgasen.“) Und daran anknüpfend ist mein Slogan für den Fancy Women Bike Ride: „Wir wollen Blumen in der Stadt und sichere Radwege.“
Sind die Blumen und das Parfum das, was ich mir unter „fancy“ in Fancy Women Bike Ride vorstellen kann?
Marion: „Fancy“ darf alles sein. Wir dürfen uns von diesem patriarchalen Schönheitsdiktat loslösen. Und wir dürfen fahren und kommen, wie wir wollen. Es gibt keine Kleiderordnung. Das Wetter ist letztes Jahr nicht so einladend gewesen, wir waren in Regencapes gehüllt und durchnässt. Und jede Frau soll so kommen, wie sie sich am wohlsten und am sichersten fühlt. Ich glaube, was für mich so ein Grundverständnis von Fancy Women Bike Ride ist, ist dass es ein Save Space für alle ist, die auf die Straße kommen wollen.
Alle sollen teilnehmen
Bei Demos am 8. März gibt es oft Diskussionen, wer daran teilnehmen darf. Wie ist es beim Fancy Women Bike Ride? Wer darf teilnehmen?
Marion: Alle, die unser Anliegen nach sicherer Radinfrastruktur und nach mehr Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum unterstützen wollen.
Margit: Wir haben nur die Männer gebeten, dass sie im Hintergrund bleiben. Denn es ist uns schon ein Anliegen, dass wir als Frauen wahrgenommen werden. Aber es ist wirklich wichtig, dass wir die Unterstützung aller Menschen haben. Es geht ja auch um eine neue Mobilität in Zeiten des Klimawandels. Und ich wünsche mir, dass viele Frauen dieses Lustgefühl beim Radfahren haben, das ich erlebe. Um Spaß beim Radfahren zu haben, ist es aber auch wichtig, dass die Infrastruktur fehlerverzeihend ist. Und wenn wir uns das international anschauen, sind die Themen überall ähnlich und die Forderungen beim Fancy Women Bike Ride auch.
Was sind das für Forderungen, die weltweit gleich sind?
Marion: Erstens, es Frauen zu erlauben, Sichtbarkeit im öffentlichen Raum zu haben. Und da finde ich es erstaunlich, dass wir in westlichen Staaten auf einer ähnlichen Stufe stehen wie zum Beispiel Frauen in der Türkei oder Frauen in Indien, die beim Fancy Women Bike Ride auch mitmachen. Die Forderungen sind also: Wir wollen Radfahren und wir wollen dabei sicher von A nach B kommen, dazu braucht es eine sichere Infrastruktur zum Radfahren. Das ist eine Forderung, wo wir uns auf gleicher Augenhöhe begegnen. Und zweitens ist eine Stadt wünschenswert, die lebenswert ist – auch für Frauen, weil ich sehe mich im öffentlichen Raum benachteiligt. Ich habe mit wesentlich mehr Sicherheitsfragen zu kämpfen und muss mir mehr Strategien überlegen als mein Freund. Es ist sicher vieles besser geworden, etwa dass man Parks in der Nacht beleuchtet und keine dunklen Wege hat.
Save-the-date: 17. September 2023
Abschließende Frage: Wann ist das nächste Mal in Wien Fancy Women Bike Ride? Und wie kann man mitmachen?
Marion: Der nächste Termin ist Sonntag, der 17. September. Und am meisten hilft man uns, wenn man am 17. September mitfährt und viele Freundinnen und Freunde mitnimmt. Mein Wunsch – ich bin gern optimistisch – ist, dass wir mindestens 5000 Leute sind. Ich finde, das ein gutes Ziel. Und mein persönlicher Wunsch wäre, dass der Fancy Women Bike Ride auch in Communities mit Migrationsbackground Anknüpfungspunkte findet. Das würde gut zur internationalen Organisation passen.
Margit: Und man kann sich auch jederzeit auf Facebook oder Instagram bei uns melden. Jeder und jede, die helfen mag, den Termin und die Idee weiter zu verbreiten, ist eine große Hilfe. In der Organisation sind Frauen bevorzugt, denn wir wünschen uns, dass Frauen wirklich aktiv werden.