Erwartungen an den Straßenraum – aus der Sicht von Alt und Jung

Die Klimakrise verlangt nach Veränderungen im Verkehrswesen – und damit auch nach neuen Straßenräumen. Dass dies weniger eine technische, als eine kollektive sozial-psychologische Leistung ist, darüber diskutierte die Mobilitätsagentur mit ExpertInnen aus den Bereichen Soziologie, Jugend- und Seniorenpolitik beim Netzwerktreffen Mobilität unter dem Motto „Opa, warum fährst du alles mit dem Auto?“

Mobilität verändert sich

Ein Mann in den besten Jahren lächelt 1978 glücklich in die Kamera. Er lehnt an einem Auto, und das direkt vor dem Schloss Belvedere in Wien. So unwahrscheinlich diese Szene heute anmutet, so skurril werden heutige Straßenszenen in einigen Jahrzehnten auf künftige Generationen wirken.

Das Mobilitätsverhalten der Wiener Bevölkerung verändert sich. Langzeit-Auswertungen des Modal Splits (Verkehrsmittelwahl) der Jahre 2010 bis 2019 zeigen einen Rückgang der PKW-Nutzung aller Altersgruppen unter 60 Jahren.

Liniendiagramm zeigt die PKW-Nutzung nach Altersgruppen. Diese ist bis 59 Jahre im Jahresvergleich rückgängig

Die PKW-Nutzung nimmt in den jüngeren Zielgruppen im Zeitvergleich ab (Quelle: Wiener Linien/Omnitrend 2020)

Über 60-Jährige weisen allerdings 2019 eine wesentlich höhere PKW-Nutzung auf, es ihre  Altersgenossen noch fünf bis zehn Jahre zuvor taten. Das ist ein Umstand, der die Transformation von Verkehrssystemen hin zu mehr Klimaschutz bremsen kann. Dazu zählt auch die Frage, wie Straßenräume künftig gestaltet und genutzt werden. Denn Menschen ab 60 Jahren sind die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe Wiens. Schätzungen sagen voraus, dass im Jahr 2030 mehr als 25 Prozent der Bevölkerung älter als 60 Jahre alt sein werden.

Mobilität und Klimaschutz gehen Hand in Hand

Bernhard Hoser vom Forschungsinstitut SORA zeigt beim Netzwerktreffen anhand verschiedener Untersuchungen auf, dass vor allem Männer ab 45 Jahren am privaten Autobesitz festhalten und einer veränderten Straßennutzung – weniger Park- und Fahrspuren, dafür mehr Begrünung, Radwege und Aufenthaltsqualität – eher reserviert gegenüberstehen. Währenddessen bewerten Menschen unter 45 Jahren solche Veränderungen positiv.

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Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt Bettina Schwarzmayr von der Abteilung für Bildung und Jugend der Stadt Wien (MA13). Ihre Erfahrungen aus dem partizipativen Prozess rund um die Kinder- und Jugendstrategie „Werkstadt junges Wien“ weisen darauf hin, dass Kinder und junge Menschen einen starken Wunsch nach weniger Autoverkehr in der Stadt spüren. Den Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Mobilität hat die junge Generation bereits verinnerlicht.

Etwas differenzierter sieht Wolf Mandl vom Büro der Wiener SeniorInnenbeauftraten die Rolle älterer Menschen hinsichtlich bevorstehender Transformationsprozesse. Schließlich handle es sich um eine höchst heterogene Gruppe mit unterschiedlichsten Bedürfnissen und Fähigkeiten. Mobilitätsangebote, die jederzeit abrufbar sind, barrierefrei und niederschwellig nutzbar, könnten auch bei älteren Generationen ein positives Bild klimafreundlicher Mobilität entstehen lassen.

Lebensqualität im Straßenraum fördern

Allen Altersgruppen gemein ist der Wunsch nach Verkehrsberuhigung und Bäumen in ihrer Wohngegend. So lautet auch die Empfehlung der drei ExpertInnen an die Politik, Verlustängste nicht zu verstärken, sondern den Gewinn an Lebensqualität für alle sichtbar zu machen.

Mariahilfer Straße von oben

Mariahilfer Straße (© PID/Christian Fürthner)

Das wäre eine Chance für Alt und Jung, ein gemeinsames Zukunftsbild für den öffentlichen Raum zu entwickeln. Denn während Kinder von autofreien Straßen nur träumen, können ältere Menschen sich mitunter tatsächlich daran erinnern, wie das war, als auf Straßen noch beobachtet, getratscht und gespielt worden ist.