Argentinierstraße: So könnte eine Fahrradstraße aussehen

Der Radverkehr auf der Argentinierstraße boomt. Seit dem Jahr 2010 verdoppelte er sich auf dieser wichtigen Strecke zwischen Hauptbahnhof und Karlsplatz. Doch der Radweg ist zu schmal dafür. An engen Stellen ist er gerade so breit wie zwei Lenker. Fahrrad Wien zeigt wie eine Fahrradstraße aussehen könnte.

Knapp 5.000 Radfahrerinnen und Radfahrer sind an Spitzentagen auf der Argentinierstraße unterwegs (durchschnittlich: 2.617 Radfahrende/Tag). Erst im Juni und Juli 2020 gab es neue Rekordwerte beim Radverkehr.

Radverkehr hat sich seit 2010 verdoppelt

Der Radweg hat eine Breite von abschnittsweise nur rund 1,5 Metern: Die wichtigste Verbindung zwischen dem einwohnerstärksten Bezirk Wiens, Favoriten, und der Inneren Stadt platzt förmlich aus den Nähten.

Beschleunigt wurde die starke Zunahme des Radverkehrs durch das Bevölkerungswachstum im neuen Sonnwendviertel und den Radpendel-Verkehr vom Hauptbahnhof. Es ist klar, dass es hier Handlungsbedarf für eine zeitgemäße Radinfrastruktur gibt.

Alternativrouten zur Argentinierstraße fehlen. Die parallele Prinz-Eugen-Straße und die innere Favoritenstraße sind nur für mutige Radfahrerinnen und Radfahrer tauglich. Aus diesem Grund ist die Argentinierstraße auch Teil einer der wichtigsten Radstrecken der Stadt, der Radlangstrecke Süd, die vom Reumannplatz bis zur Stadtgrenze bereits gut ausgebaut ist.

Die Argentinierstraße weist noch ein paar Besonderheiten auf. Unter der Oberfläche liegen dicht nebeneinander Kabel und Rohre, darunter auch eine Hauptgasleitung. Grund dafür ist die U-Bahn unter der benachbarten Favoritenstraße. Neue Bäume zu pflanzen ist damit kaum möglich. Speziell ist auch, dass an vielen Tagen schon heute mehr Fahrräder als Autos auf der Argentinierstraße unterwegs sind.

Fahrradstraße als Zukunft der Argentinierstraße

Wir stellten uns also die Frage, wie eine zukunftsfähige Radinfrastruktur auf der Argentinierstraße aussehen könnte. Das Bild verdichtete sich nach einem Blick in die Regelwerke rasch. Die Argentinierstraße ist eine Hauptroute für den Radverkehr, aber hat nur Erschließungsfunktion für den Kfz-Verkehr. Sie hat teilweise mehr Radverkehr als Autoverkehr. Das sind Kriterien, die für eine Fahrradstraße sprechen. Mit dieser Variante können auch Gehsteige verbreitert werden.

Die Fahrradstraße ist in Österreich ein relativ neues Instrument der Verkehrsorganisation. Für so prominente Lagen, wie es die Argentinierstraße ist, gibt es keine Beispiele. Ebenso wie die Begegnungszone auf der Mariahilfer Straße oder die Fußgängerzone auf der Kärntner Straße hochwertig gestaltet sind, erscheint hier eine besondere Gestaltung angemessen. Niederländische Gestaltungsrichtlinien empfehlen dabei färbigen Asphalt und Pflasterstreifen in der Mitte und am Rand. Färbiger Asphalt ist Standard auf Radwegen in den Niederlanden und wurde auch in Österreich, beispielsweise am Kornmarktplatz in Bregenz, einer Begegnungszone, eingesetzt.

Visualisierung Argentinierstraße

Hinweis: Der Entwurf ist kein fertig ausgearbeiteter Plan der Stadt Wien, basiert jedoch auf deren Grundlagen. Die Mobilitätsagentur visualisierte die Variante einer Fahrradstraße auf der Argentinierstraße, um einen Impuls für den Prozess der Umgestaltung zu geben. ©zoom vp/Mobilitätsagentur Wien

Planungsvorschlag für die Argentinierstraße

Die Fahrradstraße kann im Querschnitt wie folgt gestaltet sein: 0,5 Meter gepflasteter Seitenstreifen zu parkenden Autos, 1,9 Meter Fahrstreifen, 0,7 Meter gepflasteter Mittelstreifen, 1,9 Meter Fahrstreifen, 0,5 Meter gepflasterer Seitenstreifen. Für Autos ist die Argentinierstraße wechselweise Einbahn. Dies fördert die Rücksichtnahme und verringert das Tempo. Der Mittelstreifen wird von Kfz dann mitbenützt und ist gut berollbar ausgeführt.

Entscheidet man sich dafür, eine Parkspur aufzulassen, können mit dem gewonnenen Platz Fahrradstraße und Gehsteige (noch mehr als in der Basisvariante) verbreitert werden. Auch Pflanzenbeete können dann errichtet werden.

Mit einer Fahrradstraße kann das Grätzl für die Anrainerinnen und Anrainer attraktiver und verkehrsberuhigt gestaltet werden. Dafür werden Autoschleichwege verhindert. Fußgängerinnern und Fußgänger bekommen am St.-Elisabeth-Platz durch die Unterbrechung der Belvederegasse mehr Raum. Auf einem Teil der Argentinierstraße wird die bestehende Einbahn umgedreht. Damit gibt es insgesamt weniger Autoverkehr im Grätzl.

Verkehrsorganisation Argentinierstraße (für größere Darstellung anklicken). ©Johannes Essl/Mobilitätsagentur

Das bietet eine Fahrradstraße auf der Argentinierstraße

Für Fußgängerinnen und Fußgänger

  • Gehsteige können verbreitert werden.
  • Weniger Konflikte mit Radfahrenden wegen der besseren räumlichen Trennung.
  • Mehr Sicherheit für FußgängerInnen, weil der Kfz-Durchzugsverkehr unterbunden wird.
  • Eine geänderte Verkehrsorganisation sorgt für mehr Aufenthaltsqualität, speziell am St.-Elisabeth-Platz.

Für Radfahrerinnen und Radfahrer

  • Nebeneinander-Fahren (bspw. mit Kindern) und überholen (bergauf) möglich.
  • Kapazitäten für eine Zunahme des Radverkehrs vorhanden (Sonnwendviertel, Radweg Favoritenstraße, Hauptbahnhof etc.).
  • Kreuzungspunkte näher der Straßenmitte, daher mehr Sicherheit.
  • Vermeidung des Durchzugsverkehrs bewirkt eine Verkehrsberuhigung und damit mehr Sicherheit und Komfort.

Verkehrsorganisation

  • Vermeidung des Durchzugsverkehrs ist erforderlich.
  • Die Zufahrten von der Prinz-Eugen-Straße bleiben unverändert.
  • Von der Favoritenstraße wäre die Erreichbarkeit ebenso gesichert.
  • Querungsmöglichkeiten für Kfz durch das Viertel bleiben aufrecht.
  • Änderungen von Kfz-Fahrtzeiten bleiben gering (Auskunft google maps):
    1. Ausfahrt AK-Garage zur Kreuzung Operngasse/Opernring: 6 Minuten derzeit, 7 Minuten nach Verkehrsberuhigung
    2. Ausfahrt AK-Garage bis Kreuzung Linke Wienzeile/Gumpendorfer Gürtel: 11 Minuten derzeit, 12 Minuten nach Verkehrsberuhigung

Für Anrainerinnen und Anrainer

  • Bei der Variante Fahrradstraße wird der Durchzugsverkehr vermieden, das Wohnviertel wird verkehrsberuhigt, die Lebensqualität steigt.

Für die Stadt Wien

  • Die Variante Fahrradstraße mit Verkehrsberuhigung erfüllt die strategischen Zielsetzungen der Stadt für Klimaschutz, Mobilität, Gesundheit und Öffentlichen Raum.
  • Eine Fahrradstraße auf der Argentinierstraße entspricht den Richtlinien für Radschnellwege. Dadurch kann die Hälfte der Kosten durch den Bund gefördert werden.