Rennradfahrerin Nora
Nora ist 25 und arbeitet im digitalen Marketing. Vor einigen Jahren entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Rennradfahren und fährt seitdem auch regelmäßig Amateurrennen. Mit ihrem erfolgreichen Rennrad-Blog und ihrer Präsenz auf Instagram erreicht sie Tausende von Followern und schafft damit Sichtbarkeit für Frauen am Rennrad.
Wie hast Du das Rennradfahren für Dich entdeckt? Kannst Du uns ein bisschen darüber erzählen, wie der Übergang vom „normalen“ Radeln zum Rennradfahren verlaufen ist?
Bevor ich im Sommer 2017 mit dem Rennrad-Fahren begonnen habe, war ich in der Stadt auch schon häufig mit einem schicken Damenrad unterwegs. Hauptsächlich, um angenehm von A nach B zu kommen. Als ich meinen heutigen Partner kennengelernt habe, haben wir dann einmal eine gemeinsame Ausfahrt gemacht – ich mit dem Stadt-Rad, er mit seinem Rennrad. Das zusätzliche Gewicht und die fehlenden Gänge haben sich aber schnell bemerkbar gemacht und so habe ich mir dann ein Rennrad ausgeborgt. Ich war hin und weg!
Das Gefühl, auf einem Rennrad zu sitzen, ist doch ein ganz anderes. Man sieht das jetzt sehr häufig bei den neuen RennradlerInnen: Alle haben ein breites Lächeln auf den Lippen. Genau so war das bei mir eben auch – und so konnte ich einen Monat später auch ein Rennrad mein eigen nennen. Heute erledige ich auch noch einige Dinge in der Stadt mit dem Rad, allerdings nütze ich es in erster Linie, um die Fahrt zu genießen, nicht mehr als reines Mittel zum Zweck.
Wie kann man sich deinen Alltag als Rennradfahrerin vorstellen? Wieviele Stunden pro Woche widmest du z.B. dem Rennradfahren und allem, was damit zu tun hat?
Das kommt natürlich darauf an, was gerade so ansteht – sowohl „renntechnisch“, als auch in meinem “Brot-Job” im Marketing. Normalerweise sind es zwischen 12 und 15 Stunden reine Fahrtzeit pro Woche, dazu kommt dann auch mal die ein oder andere Pause. Meistens fahre ich an etwa 5 Tagen die Woche: Am Wochenende gern was längeres, unter der Woche bin ich eher abends bzw. nachts auf dem Rad. Derzeit sind es sogar knapp 20 Stunden pro Woche, da mein erstes Rennen dieses Jahr kurz bevorsteht.
Was war das schönste bzw. anstrengendste Erlebnis, das Du bisher als Rennradfahrerin hattest?
Puh, das kann ich schwer beantworten. Während man sich anstrengt, egal, ob es da jetzt um den Stelvio oder den Cippo Carpegna (Berge in Italien) geht, ein besonders langes Rennen oder auch nur 40 Minuten All-Out auf dem Velodrom der Donauinsel: Es fühlt sich währenddessen alles unfassbar schwer an. Danach freut man sich aber so, dass es eben all diese Anstrengung wert war. Weil man etwas geschafft hat, das man nicht für möglich gehalten hätte.
Es ist natürlich ein schöner Moment, auf einem Gipfel oder auf einem Stockerl angekommen zu sein, aber manchmal ist es genau so schön, einfach auf einem gut funktionierendem Rad, das keine Geräusche macht, mit netten Leuten und leichtem Rückenwind in den Sonnenuntergang zu radeln. Einen Kaffee oder ein Bier nach der Ausfahrt zu genießen. Oder stundenlang an seinem Rad herum zu basteln, nur um sich danach noch einmal neu in sein Gefährt zu verlieben. Ich bin da ein bisschen ambivalent, ich mache beides gerne: Voll reinbeißen oder auch nur ganz entspannt fahren. Und beides ist sehr schön.
Wie groß ist die Rennradszene in Österreich? Und wie stark sind die Frauen hier repräsentiert?
Ich denke, unsere Szene ist vor allem gut vernetzt: Durch Gruppen, Vereine für jede Leistungsklasse und Ambition und vielen Leuten, die hier sehr viel Zeit reingesteckt haben, das Ganze aufzubauen. Der VICC ist eine sichere Anlaufstelle für alle, die Fragen haben, Kontakte und Mitfahrgelegenheiten suchen oder sich einfach ein bisschen austauschen wollen. Frauen, aber auch Männer, können mit den Mitzis auf Ausfahrten gehen, Technik-Trainings machen oder z.B. Tipps für Equipment bekommen. Was bei beiden Gruppen und ihren Mitgliedern auffällt, ist der wirklich gute und positive Ton.
Denn man muss schon sagen: Manchmal fühlt es sich ein bisschen so an, als würde ein kleiner Krater durch die Rennrad-Szene führen. Die “Kopf-Runter-Ellenbogen-raus” Supersportler, die man nur mit Felgenbremsen grüßen darf, und jene, die einfach ein bisschen Fahrtwind um die Nase spüren und dabei Spaß haben wollen. Gerade, wenn es dann darum geht, sich in einem Rennen auch mal mit anderen zu messen, ist die Hemmschwelle bei vielen dadurch einfach sehr groß. Mir ist es deswegen ein großes Anliegen, sich von denjenigen nicht beirren zu lassen, und das beides geht. Also freundlich sein, aber auch sportliche Ambitionen zu haben. Und: Ich bin ja selbst kein Profi und kann daher nur aus der Sicht eines Amateurs berichten.
Hast Du Tipps für Menschen, die sich fürs Rennradfahren interessieren?
Also mal abgesehen davon, sich nicht beirren zu lassen, habe ich 3 grundlegende Sachen, die man wissen sollte:
- Keine Unterhose in der Fahrrad-Hose anziehen. Wirklich!
- Wenn man einen anderen Rennradfahrer sieht, ist es üblich, kurz zu nicken, die Finger zu heben oder ein fröhliches “Servus” zu rufen.
- Ja, ich weiß, es macht total Spaß, aber wir wollen alle sicher an unser Ziel kommen, von daher: Haltet euch auf Radwegen eher rechts, gebt anderen Leuten (wie zum Beispiel Familien mit Kindern) genug Platz, wenn ihr vorbei rollt. Fahrt nicht unbedingt auf der vollen Donau-Insel zu dritt nebeneinander und denkt trotz all dem Spaß ein bisschen mit. So haben dann nämlich wirklich alle eine gute Zeit.
Vernetzen geht einerseits gut auf Facebook, aber auch bei den einschlägigen Lokalen entlang der Donau: Hier lernt man jede Menge andere radnarrische Menschen kennen – für all jene, die es lieber analog mögen.
Was sind deine liebsten Radstrecken in Wien?
In Wien: jede, die mich schnell aus Wien raus bringt. Während zu Beginn das Ende der Donauinsel das Ziel meiner Ausfahrten war, beginne ich dort inzwischen erst so richtig abzuschalten und das Fahren zu genießen. Am liebsten bin ich im Weinviertel unterwegs, aber auch den Wiener Wald mag ich gern. Hier habe ich ein paar der Klassiker gesammelt.
Wieviele Rennen fährst Du im Jahr? Auf welches Rennen bereitest Du dich derzeit vor?
Mitte August gehe ich bei meinem ersten längeren Rennen an den Start: Die „Race Around Austria Challenge“. Auf 560 km und 6500 Höhenmetern führt mich der Kurs in maximal 28 Stunden rund um Oberösterreich. Dafür trainiere ich nun seit Mitte Januar. Deswegen waren auch ursprünglich, bevor Corona kam, eher weniger Rennen angesetzt. Ende September fahre ich gleich noch einmal in Oberösterreich, und zwar das Zeitfahren „King of the Lake“ rund um den Attersee.
In Wien direkt gibt es ansonsten eigentlich nur die „VICC Race Days“, die ich letztes Jahr gewinnen konnte. Leider finden sie dieses Jahr, wie so viele andere, nicht statt. Aber so bleibe ich immerhin Cup-Siegerin für 2 Jahre in Folge.
Wo siehst Du Dich in 5 Jahren?
Wenn ich träumen darf, mit einem Kind und einem Pokal im Arm von irgendeinem Sieger-Podest runter steigen. Aber ich bin auch schon zufrieden, wenn ich in mitten von noch vielen weiteren Fahrrädern in meinem Bike-Zimmer stehe und mich bereit mache für die nächste Ausfahrt. Denn nach jedem Jahr, in dem ich Rennen fahre, sage ich, dass ich das nächste nun wirklich ruhig angehe. Bis dann der Januar kommt… Vielleicht wird ja 2025 das ruhige Jahr.
Radfahren bedeutet für mich:
Die angenehmste, schnellste und unkomplizierteste Art, die Umgebung zu genießen und entdecken. Frei sein eben.