„RadfahrerInnen wirken sexy“

Trendforscher Andreas Reiter berät Unternehmen, Städte und öffentliche Institutionen zu strategischen Zukunftsfragen. Oft geht es dabei auch um das Thema Mobilität. Im Interview erklärt er, warum RadfahrerInnen das Bild einer Stadt attraktiv machen und wie das Radfahren zum Lifestyle geworden ist.

Wien wurde 2018 wieder zur lebenswertesten Stadt gewählt. Welche Rolle spielt – nicht nur im Hinblick auf die Kriterien dieser Studie – Mobilität für die Lebensqualität einer Stadt?
Andreas Reiter: Mobilität ist diesbezüglich ein essentieller Punkt. Jeder hat den Wunsch, schnell von A nach B zu kommen. Gerade heute, wo Zeit immer mehr zu einem wertvollen Gut wird. In Wien ist der öffentliche Verkehr top, aber auch das Fahrrad ist ein superschnelles Verkehrsmittel. Deshalb hat eine gute Infrastruktur für RadfahrerInnen in Städten eine große Bedeutung – auch im Hinblick auf die Lebensqualität.

Gehören zur Infrastruktur auch Leihräder?
Wien ist auch da sehr gut aufgestellt. Wobei in den klassischen Rad-Städten Leihräder gar nicht so eine große Rolle spielen. Da hat eh jeder ein eigenes Rad. Aber in einer Tourismusstadt wie Wien sind sie natürlich schon ein spannendes Zusatzangebot.

Manchmal hat man den Eindruck, dass Städte gerade dann besonders attraktiv wirken, wenn viele Menschen mit dem Rad oder auch zu Fuß unterwegs sind. Woran liegt das?
Das stimmt zweifellos. Als gutes Beispiel dienen da Städte wie Amsterdam oder Kopenhagen. Wenn das Bild einer Stadt geprägt ist von viel Autoverkehr, dann wirkt das unattraktiv. Viele Fahrradfahrer und -innen hingegen wirken sexy, das ist irgendwie eine coole Sache. In meinem Kopf assoziiere ich damit: Da sind junge Leute, da sind gesunde Menschen, da ist Bewegung drinnen, da tut sich was. Genau diese Bilder, die da entstehen, sind verantwortlich dafür, dass ein Stadtbild mit vielen Radfahrern als attraktiv wahrgenommen wird. Fortsetzung unter dem Foto.

Und das kann wiederum andere Menschen motivieren, das Rad zu nehmen.
Natürlich, das ist das Prinzip der Masse. Das sieht man ja auch an sich selber: Wenn ich beispielsweise hier sitze und draußen einen Läufer sehe, denke ich mir: Ach, ich könnte auch wieder mal laufen gehen. Jeder Mensch hat eine Vorbildfunktion. Nehmen sie Boris Johnson, der als Bürgermeister von London immer mit dem Rad gefahren ist. Ja wenn der Bürgermeister mit dem Rad fährt, warum soll ich dann nicht auch mit dem Rad fahren?

Sie befassen sich beruflich mit Trends und deren Entstehung. Welches Image hat Radfahren heute?
Da hat sich eine ganz neue Kultur entwickelt, Radfahren ist gerade in Städten nicht mehr nur eine Möglichkeit sich fortzubewegen, sondern in vielen Fällen auch eine Art Lifestyle. Man muss sich nur die zahlreichen Bike-Shops und deren Angebot anschauen. Und diesem Lifestyle liegt natürlich ein gewisses Mindset zu Grunde: Du bist beweglich, du bist unabhängig, du bist mobil oder kurz gesagt – du bist vorne dabei! Das passt natürlich besonders gut zu den Lebensmodellen der jüngeren Generationen.

Würden sie soweit gehen und sagen, dass das Fahrrad für manche Menschen zu einem Statussymbol geworden ist?
Ja, das kann man sicher so sagen, zumindest für eine bestimmte Klientel. Grundsätzlich haben in unserer extrem digitalisierten Welt analoge Dinge derzeit gute Chancen, zu einem Statussymbol zu werden. Das beginnt bei der Kleidung und geht über die Ernährung bis hin zum Fahrrad. Das sind alles Individualisierungsbereiche geworden, über die man sich definieren kann.

Andreas Reiter Credit ZTB Zukunftsbuero 03

Andreas Reiter (c) ZTB Zukunftsbuero 03